Aus Wein plus Lagerfähigkeit wird Lagerwein

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Aus Wein plus Lagerfähigkeit wird Lagerwein

Im Wortschatz der «Weinfachleute» finden sich zahlreiche Begriffe, die wir von der Beschreibung menschlicher Eigenschaften sowie ihres Erscheinungsbildes und Charakters kennen.

Die Tatsache, dass Wein als schlank, nervig, still, elegant, verführerisch usw. dargestellt wird, führt uns vor Augen, dass der Wein seit Menschengedenken ein lebendiges Produkt ist. Das Konzept ist bekannt. In unser aller Alltag neigen wir jedoch dazu, diesen Umstand zu vergessen!

In vorliegendem Artikel werden wir nicht die Geschichte des Weins nachzeichnen, denn dazu müsste man die gesamte Menschheitsgeschichte Revue passieren lassen. Ebenso wie im Weinbau gibt es aber auch hier eine Zeit vor und eine nach der Reblaus (Rationalisierung der Rebpflanzung und des Pflanzenmanagements). Im Bereich der Önologie kam es ab den 1950er Jahren zu einer bedeutenden Wende, als etwa die ersten Temperaturüberwachungssysteme - gefolgt vom weit verbreiteten Ausbau in Holzfässern in den 1980er und 1990er Jahren - eingeführt wurden.

Warum erzähle ich Ihnen das alles?

Weil es zu jener Zeit keinen «reisetauglichen» Wein gab: Die roten oxidativen Weine oder Likörweine, die wir heute auf gut Deutsch als «Fine Wines» bezeichnen würden, benötigten Jahrzehnte, bis alles sich so zusammenfügte, dass diese ihre Trinkreife erlangten. Die grossen Weissen der Weingeschichte waren oftmals Likörweine oder trockene Weine, in die wie beim Vin Jaune bzw. Gelbwein Sauerstoff eingebracht wurde. Ja, tatsächlich! Selbst der fantastische Montrachet als Motor der bedeutenden burgundischen Chardonnays entstammten der Spätlese, wobei die Trauben häufig der Edelfäule ausgesetzt wurden, was im Rahmen der Gärung nicht zwangsläufig Einfluss auf den Zuckergehalt hatte.

All das, was sich nicht für die Reifung eignete, wurde en gros in lokalen Netzwerken verkauft und noch vor der nächsten Weinlese aufgebraucht.

Im Anschluss an die grosse «önologische Revolution» der 1950er bis 1980er Jahre konnte man dann in Abhängigkeit von Zielvorgaben und Zielmarkt von einer «Steuerung der Stilistik» des zu produzierenden Weines sprechen. Dies wiederum führte zu einer exponentiellen Erhöhung der Komplexität der Weinwelt, da sich zwischen populären Konsumweinen und Crus eine Vielzahl von zusätzlichen Nuancen manifestierten.

Woran erkennt man einen Wein mit Reifepotenzial?

Leider können wir diese Frage in keiner Weise zur Gänze beantworten. Es gibt allerdings strukturelle Elemente, die uns Hinweise liefern können.

Zu den natürlichen Konservierungsstoffen beim Wein zählen Alkohol, der möglicherweise vorhandene Restzucker und der Säuregehalt. Der pH-Wert kann im Allgemeinen zwischen 3 und 4,5 schwanken. Je niedriger der pH-Wert, desto höher ist der natürliche Schutz vor mikrobiellem Befall. Mit dem Anstieg des Werts steigt der Bedarf nach Schwefeldioxid (SO2) sowie anderen Vorkehrungsmassnahmen zur Vorbeugung von Infektionen.

SO2 ist zugleich ein Antioxidans, aber nicht das einzige. In den Schalen, im Trester und in den Kernen sind ebenfalls Tannine enthalten, die als natürliche Antioxidantien fungieren. Weine, bei denen eine Hülsenmaischung durchgeführt wurde (Rotweinbereitung, Bernsteinweine), sind somit auch besser geschützt.

Wir alle wissen, dass Wein nur ein Zwischenstadium im Produktlebenszyklus darstellt, denn in der naturgegebenen Abfolge entsteht daraus Essig. Der Prozess wird durch natürliche Bakterienstämme ausgelöst und es entstehen bei Vorhandensein von Sauerstoff aerobe Bedingungen. Will man verhindern, dass der Wein «kippt», muss man die mikrobielle Aktivität im Auge behalten und die Sauerstoffdosierung steuern … man könnte hier von einem Training für den Wein sprechen!

Vergleicht man es mit der Welt des Sports, ist es so, als würde ein Profischwimmer seine Bahnen in den eiskalten Gewässern der Nordsee ziehen. Der betreffende Athlet wird eine bessere Kältetoleranz haben als eine Person, die nicht an eisige Temperaturen gewöhnt ist. Ebenso verhält es sich bei einem Wein, der ständig Sauerstoff ausgesetzt war. Er wird weitaus oxidationsbeständiger sein als ein Wein, der stets absolut geschützt war.

Allerdings sind Lagerweine nicht zwangsläufig Weine, die oxidativ ausgebaut wurden. Jedoch gibt es auch beim Wein Ausnahmen!

In den Schweizer Weinbergen gedeihen Rebsorten, die ihr volles Potenzial erst mit der Zeit entfalten, darunter Chasselas oder Marsanne, die im Zuge ihrer Lagerung zuweilen erstaunliche Entwicklungen zeigen. Trotz ihres geringen natürlichen Säuregehalts können diese Weine sich im Lauf von 20 bis 30 Jahren potenzieren. Im Fall des Chasselas kommt hinzu, dass der Alkoholgehalt nur selten 12,5% übersteigt.

© Swiss Wine Valais

Der Jahrgangsfaktor

Bei ein- und derselben Cuvée aus Traubengut derselben Parzellen vom selben Winzer kann sich eine Wartezeit von 50 bis 60 Jahren lohnen, bevor der Jahrgang seinen Höhepunkt erreicht hat. Im darauffolgenden Jahr kann er bereits im Alter von 10 Jahren Anzeichen von Ermüdung zeigen.

Das Jahresklima, die menschliche Komponente, unglückliche Zwischenfälle … sie alle müssen miteinkalkuliert werden, wobei jeder einzelne Jahrgang diese Komplexität widerspiegelt.

Verkorkung und Lagerbedingungen 

Eine mit einem Naturkorken verschlossene Weinflasche in perfektem Zustand ist ein echtes Spitzenerlebnis. Langfristig kann sich jedoch auch die Verpackung mittels Schraubverschluss als erstklassige Wahl erweisen, da diese eine bemerkenswerte Regelmässigkeit von einer Flasche zur anderen gewährleistet.

Im Gegenteil ist es beim Kork so, dass jede Flasche ihr Eigenleben führt. Wenn man dann, nach 20 bis 30 Jahren, 6 Flaschen desselben Weines öffnet, die allesamt aus derselben Kiste stammen, werden wir 6 unterschiedliche Weine vorfinden. Hier kommt die Magie der «alten Weine» ins Spiel!

An dieser Stelle ist anzumerken, dass meine Ausführungen bei nicht optimalen Lagerbedingungen nur beschränkt zutreffen werden. Weiterführende Informationen zu diesem Thema finden Sie in dem entsprechenden Artikel.


©Ça "Valais" le détour

Verhältnis zwischen Preis und Lagerdauer des Weins

Das Renommee bestimmter bekannter Namen stammt aus einer Zeit, in der man in einem Jahrzehnt ein oder zwei herausragende Jahrgänge verzeichnete. Bei den bekanntesten Crus gab es vielleicht 5 oder 6 gute Ernten im selben Zeitraum, da es sich traditionell um auf durchlässigen Boden früh reifende Sorten handelte, die noch vor den herbstlichen Schauern geerntet werden konnten.

Die Weinqualität und die «Erfolgsquote» haben den Preis für die landwirtschaftliche Nutzfläche derart ansteigen lassen, dass dies sich auch auf den Preis je Flasche auswirken musste. Angesichts des Klimawandels, des Know-hows und der heutigen technischen Hilfsmittel wird diesem Umstand aber nicht mehr dieselbe Bedeutung beigemessen.

Ein Wein, der je nach Markt einen gehobenen Preis hat, muss nicht zwangsläufig lange Zeit über gelagert worden sein.

Fazit

Beim Lesen vorliegender Zeilen werden Sie auf eine Reihe von Fachwörtern und Konzepten gestossen sein. Ich hoffe sehr, dass meine Ausführungen nicht zu abstrakt waren. Wissenswert ist letztlich, dass die besten Lagerweine jene mit einer idealen Balance zwischen den genannten Strukturmerkmalen sind, denn sie machen es möglich, dass der Wein mit der Zeit harmonisch reift.

Dieses Konzept der Ausgewogenheit kann möglicherweise schwer begreifbar erscheinen.

Wie beim Menschen, kann die Zeit das ungestüme Naturell der Jugend besänftigen, ohne dabei unbedingt die «Seele» des Individuums zu verwandeln. Das trifft auch auf den Wein zu …

Wenn Sie anfangs nicht das Gefühl von Harmonie verspüren, wird der Wein auch nach Erreichen seines idealen Reifegrades nicht ihren Gaumen erobern können!

Ich kann Ihnen nur zu häufigen Degustationen raten. Denn so entwickeln Sie Kritikfähigkeit, die Sie beim Weineinkauf zur Orientierung nutzen können.

Gestehen Sie sich dabei auch den einen oder anderen Irrtum zu, wenn Sie 20 Jahre nach dem Kauf einer Kiste Wein eventuell feststellen, dass der Inhalt nicht Ihren Erwartungen entspricht. Dann können Sie in jedem Fall mit einer schönen Geschichte aufwarten!

Es lebe die Liebe zum Wein und ein Hoch auf alle Eltern, die in die Weinsammlungen ihrer Kinder investieren :)

 

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Aprikose, Zitrus-, exotische Früchte, rote Beeren, Mandeln usw.Fruchtig

Veilchen, Holunder, Linde, Rose usw.Floral

geringer Alkoholgehalt, wenig TannineLeicht

Mittelkräftig

Alkohol, Säure und intensive AromenKräftig

von Säure dominiert, die ihm ein frisches Aussehen verleihtLebendig

Mässig lebendig

ohne Säure, rund, weichZart

ohne RestzuckerTrocken

Mittelfüllig

weich, fleischigFüllig

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