Weinauswahl nach Lust und Laune
Beeinflusst unsere Stimmung die Wahl des Weins? Um diese Frage mit Ja zu beantworten, braucht es keine wissenschaftlichen Studien. Beim Abstieg in den Weinkeller, aus dem wir unser tägliches Fläschchen holen, bestimmen unsere Gefühl unsere Wahl.
Für fröhliche Augenblicke
Heute schlägt das Herz einer Amazone in Ihrer Brust. Bereit zur Eroberung der Welt, möchten Sie auf Ihrer Reise alles um Sie in Ihren Bann ziehen. Der Himmel ist mit Ihnen. Die Sonne taucht Sie in ein beeindruckendes Licht. Die Vögel grüssen Sie im Vorbeigehen mit lustigem Gezwitscher. Das Leben ist schön und es gibt unzählige gute Gründe zum Öffnen einer guten Flasche. Einen lebendigen und säurebetonten Wein. Einen Wein von bestechender Reinheit. Einen jener Crus, die Struktur und Lebendigkeit in sich vereinen. Klar wie das Wasser, das von den Berggipfeln strömt. Einen Heida* aus dem Wallis mit ausgeprägter Säure, wie jener von Romain Cipolla in Rarogne. Die exotischen Aromen und der herrlich anhaltende Abgang des Heida lassen in unserer Vorstellung grenzenlose Horizonte auftauchen. Und dies in genau dem Mass, das Ihre Eroberungsgelüste zu stillen vermag.
In solchen Momenten, in denen man mit Freunden am Tisch sitzt, gibt es nichts Besseres als einen Chasselas. Der Walliser Fendant ist der Wein für Momente unter Freunden. Ein Wein, von dem man nie genug haben kann. Süffig und heiter. Man will ihn immer wieder aufs Neue geniessen. Ein und dieselbe Rebsorte präsentiert sich einzigartig und mannigfaltig zugleich, denn jeder einzelne Schluck skizziert ein Terroir … Der Fendant ist nicht aus dem Alltag wegzudenken. Er gehört dazu wie die Freundinnen und Freunde.
Rotweinliebhaber greifen vermutlich zu einer Flasche Gamay. Diese spritzige und äusserst wohlschmeckende Rebsorte ist der ideale Begleiter für jede Art von feierlichem Anlass, ohne dass er einem zu Kopf steigt. Dasselbe gilt für die ungemein fruchtigen Walliser Roséweine mit ihrem würzigen Touch.
*Der im Französisch sprechenden Teil des Kantons Wallis auch unter der Bezeichnung Païen bekannte Heida stammt von der Rebsorte Savagnin. Einen besonders guten Ruf geniesst der Heida aus Visperterminen. Die Rebberge von Visperterminen weisen schweizweit die sehr seltenen Parzellen mit wurzelechten Reben (Francs de Pied) auf, weshalb der hier entstehende Heida auch mit einzigartigen Aromen beeindruckt.
Wenn Zuspruch vonnöten ist
Stellen Sie sich einen trostlosen Tagesausklang vor. Sie kommen von der Arbeit nach Hause, nachdem Ihr Chef (oder Ihr Kollege) Ihnen den ganzen Nachmittag verdorben hat. Zu allem Überfluss war dann auch noch der Zug übervoll. Kein einziger Sitzplatz mehr. Vor lauter Trubel und umgeben von unzähligen Gerüchen bahnt sich eine mittelgradige depressive Verstimmung ihren Weg. Doch Sie geben sich nicht geschlagen. Sie schliessen Ihre Augen. Sie entfliehen dem gegenwärtigen Moment und lassen Ihrer Fantasie freien Lauf.
Vielleicht geht es Ihnen ja wie Marcel Proust und der Duft von Madeleines steigt Ihnen in die Nase. Es riecht ausgezeichnet, schmeckt köstlich süss. Ähnlich einem Süsswein oder besser noch einer Walliser Spätlese. Die oftmals in Vergessenheit geratenen grossartigen Likörweine hüllen Gaumen und Seele in einen zarten Schleier. Diese bernsteinfarbenen Weine berauschen die Sinne. Nichts anderes bringt einen Wolkenhimmel rascher wieder zum Strahlen.
Andere wiederum träumen von einer tröstenden Speise. Von einem jener Wohlfühlgerichte, die das Herz erwärmen, insbesondere wenn man sie mit einem kräftigen, intensiven und charaktervollen Roten geniesst. Ein im Eichenfass ausgebauter Cornalin oder ein einem sonnigen Jahrgang (2003, 2005, 2009, 2015, 2018, 2022) entstammender Syrah… Mancher würde diese Tropfen zuweilen als «too much» bezeichnen, doch wenn Trübsal sich einstellt, sorgen sie für Entspannung und Wohlbefinden.
Für seltene und kostbare Gelegenheiten
«Momente von besonderem Wert», wie Rainer Maria Rilke (Walliser Vierzeiler, Brief an Frau Valloton vom 5. Januar 1923) zu sagen pflegte, verdienen einen bemerkenswerten Wein. Ich denke hier an hochwertige, mit Liebe und Geduld in kleinen Barriques oder Holzfässern ausgebaute Weissweine.
Die Walliser Önologinnen und Önologen haben aus der Kombination lokaler Rebsorten wahre Schätze kreiert.
In meinen Lieblingsassemblages vereinen sich Vollmundigkeit und Authentizität. Voller Geschmack. Komplexe Aromen. Schalen von Zitrusfrüchten oder orientalische Aromen unterstreichen Frucht- und Gewürznoten.
Drei Beispiele zum Anregen Ihrer Geschmacksknospen:
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Petite Arvine und Humagne Blanche verleihen dem «Euterpe, Séduction Blanche» der Domaine des Muses in Siders seinen Glanz. Dieser Wein ist quicklebendig, mit schöner Struktur und gewinnt nach einigen Jahren Lagerung an Komplexität.
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Arvine und Heida verleihen diesem Wein seine prägnante Aromatik und samtige Intensität. Die Rede ist von der «Assemblage Blanc, Domaine Les Grands Murs» der Maison Gilliard in Sitten. Weisse Blüten und Zitrusfrüchte wetteifern hier zu unserem grossen Vergnügen um die Starrolle.
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«Leïla» aus der Weinkellerei Caloz in Miège ist ein echter Goldschatz. Diese wunderbare Köstlichkeit entführt Sie mit ihren Noten von weissem Tee, ihren Orangenblüten, Kardamom und Sandelholz in den Orient. Sie entsteht im Zuge der Hülsenmaischung von Muskateller und Pinot Gris. Dank der natürlichen Hefen gärt dieser Cru während rund 6 Wochen zusammen mit den Schalen und erhält dadurch seine hübsche orange Farbe.
Die breite Palette an hochwertigen roten Crus aus dem Wallis wird bedingungslose Rotweinliebhaber begeistern. Hier drei Lieblingstropfen unter vielen:
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Der «1955» Sélection Excelsus aus Chamoson. Eine Assemblage aus Syrah, Diolinoir, Cornalin und Pinot Noir mit zurückhaltender Kraft. Intensiv und fein im Geschmack, veredelt anhand des Ausbaus in Holz während 18 bis 20 Monaten.
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Mit dem «Terre Vivante» hat Gregor Kuonen in Salgesch einen vollmundigen und genuinen Wein erzeugt, in dem Pfeffernoten und Nuancen von schwarzen Früchten sich einen atemberaubenden Zweikampf liefern. Syrah, Diolinoir, Cornalin und Pinot Noir beeindrucken hier gemeinsam mit viel Geschmack.
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«Château Mont d’Or» der Domaine Mont d’Or in Sitten. Cornalin, Syrah und Humagne Rouge setzen in dieser Assemblage zu gemeinsamen Höhenflügen an. Fein akzentuiert im Mund, samtig am Gaumen und rassig-frisch im Abgang trägt sie die Handschrift der fachkundigen Winemaker des Jahrhundert-Hauses.