Humagne Rouge: als Rebsorte eine wilde und authentische Walliserin

Humagne Rouge

Als unaufdringlicher Walliser sucht der Humagne Rouge nicht das Rampenlicht. Er weiss jedoch zu imponieren, das können Sie mir glauben. Er ist robust und geheimnisvoll, hat also auch eine etwas wildere Seite, die ihn unwiderstehlich macht. Hinter seinen Aromen von Unterholz, schwarzen Früchten und Veilchen verbirgt sich ein wirklich starker Charakter. Man sagt von ihm, er sei tanninhaltig und widerstandsfähig. Im Mund präsentiert er sich zunächst mild und besticht dann mit dicht gewobenem Finale. Dieser Wein hat Temperament und punktet mit Echtheit und Seele, ganz ohne Schnickschnack.

Meinen Sie etwa, es mangle ihm an Raffinesse? Lassen Sie sich bloss nicht täuschen! Der Humagne Rouge ist ein Wein für fachkundige Geniesser, die es lieben, wenn ein Tropfen sich rar macht und nicht gleich alles von sich preisgibt, sondern die ganze Palette seiner Vorzüge erst nach und nach offenbart. Dieser Wein will erobert werden und entfaltet seine gesamte Komplexität erst im Lauf der Jahre. In jungen Jahren bezaubert er mit viel Fruchtigkeit. Jedoch bereits nach drei bis fünf Jahren Ruhepause im Weinkeller hat er sich zum idealen Begleiter von Wild aus den Walliser Bergen entwickelt. Er ist tatsächlich ein waschechter Walliser. Als solcher gibt er sich stolz und ungekünstelt und lässt sich niemals zur Gänze bändigen.

Bereit, dieses unzähmbare Prachtexemplar kennenzulernen? Aber Vorsicht! Hat einem der Humagne Rouge einmal den Kopf verdreht, gibt es kein Zurück mehr. Dieser Wein hinterlässt Spuren.

©Olivier Maire

Der Aufstieg eines Walliser Stars

Die Rebsorte Humagne Rouge ist charakteristisch für das Wallis, ihre Herkunft bleibt jedoch teilweise im Dunkeln. Im Gegensatz zur Humagne Blanche, zu welcher keinerlei Verwandtschaft besteht, liegen die Wurzeln der Humagne Rouge im italienischen Aostatal. Jüngst durchgeführte Forschungen ergaben, dass die Rebsorte genetisch ident mit dem «valdostanischen» Cornalin (Cornalin d‘Aoste) ist, der einer natürlichen Kreuzung mit einer unbekannten anderen Rebsorte entstammt. Sie kann demnach als in dieser Region beheimatet bezeichnet werden. Die Bezeichnung «Humagne Rouge» tauchte erstmal um 1900 auf. Ein Walliser Winzer wollte den Absatz seines kleinen Roten ankurbeln, indem er sich den ausgezeichneten Ruf des namhaften Humagne Blanche zunutze machte.

Cuvées dieser kräftigen, spät reifenden Rebsorte sind besonders charakterstark. Und wie steht es um die Aromatik? Wilde Früchte, Baumrinde und Nuancen von Veilchen verbinden sich zu einem zugleich robusten und bezaubernden Geschmacksprofil. Der erste Eindruck im Mund ist geschmeidig, während sich der Geschmack zusehends verdichtet und den Eindruck gebändigter Kraft hinterlässt.

Ein junger Humagne Rouge besticht mit herrlicher Fruchtigkeit. Geduldige lassen vielleicht einige Flaschen im Weinkeller und finden nach drei bis fünf Jahren einen ganz anderen Tropfen vor. Die Tanninstruktur wird weicher. Es handelt sich kurzum um einen Charakterwein, der etwas Zeit braucht. Das Ergebnis ist allerdings jede Geduld wert.

Wie schmeckt denn der Humagne Rouge?

Der Humagne Rouge ist ein Wein mit besonders ausgeprägter Persönlichkeit. Er ist bodenständig, wild und unvergleichlich im Geschmack. Sein Geschmacksprofil weist mehrere charakteristische Merkmale auf:

• Rote Früchte: Die wesentlichen Aromen des Humagne Rouge erinnern an rote Früchte, darunter Kirsche und Himbeere. Sie hinterlassen sogleich einen intensiv-vollmundigen Eindruck im Mund und verleihen dem Wein Tiefe und Temperament.
  
  
• Unterholz und Gewürze: Erdige Nuancen von Unterholz verbinden sich mit Gewürznoten. Diese Aromen betonen das rustikale Naturell und verleihen dem Wein eine wärmende und würzige Dimension.
  
  
• Kräuter und Leder: Zu finden sind ausserdem Anklänge von Kräutern und Leder. Diese machen das aromatische Profil komplex und erinnern an die wild-ursprüngliche Walliser Natur.
  
  
• Tannine: Der Humagne Rouge ist ein ausgewogener Wein mit gut eingebundenen Tanninen.

Nachfolgend einige wunderbare Humagnes ...

• Einer der Weine mit Signalwirkung ist jener der Kellerei Le Bosset in Leytron, dem «Humagne-Dorf».
• Der Humagne des Weinguts Le Banneret de Chamoson ist ein Wein mit harmonischem Geschmacksbild und angenehmer Säure.
• Nächster Halt ist in Varen im Weingut Chevaliers Bayard mit seinem urwüchsigen Humagne, der sich mit Noten von Enzian und Veilchen präsentiert.

… und es gäbe noch viele mehr.

Ein ganz besonderes Terroir

Im Wallis wird die Sorte Humagne Rouge vorwiegend auf Höhen zwischen 400 und 800 Metern, auf felsigen, gut drainierten Böden angepflanzt. Das trockene und sonnenverwöhnte Klima der Region kommt dieser Rebsorte, die Sonne und Hitze liebt, sehr zugute. Unter diesen Bedingungen entwickelt der Humagne Rouge sich prächtig und es entsteht ein kräftiger Wein mit komplexer Aromatik. Noten von Brombeere, Pflaume und zuweilen auch Gewürz- und Ledernuancen geben diesem robusten Wein einen wild-eleganten Touch. Jung genossen mag er etwas herb herüberkommen, aber mit der Zeit wird er milder und zeigt sich ganz von seiner feinen Seite.

Alles in allem überzeugt der Humagne Rouge mit seinem eigenwilligen Charakter und seinen kräftigen Aromen Liebhaber:innen rassiger und charaktervoller Weine. Mit dem Genuss eines Humagnes erfährt man ein Stück Geschichte und spürt die tiefe Verbindung mit der Natur und den Traditionen des Wallis.